In einem sauberen, grünen Land

Burma genießt eine vage politische Öffnung – das Land atmet auf. Und die Flusskreuzfahrten florieren.

„Come you back to Mandalay / Where the old Flotilla lay / Can't you 'ear their paddles chunkin from Rangoon to Mandalay.” Rudyard Kipling schrieb diese wunderbaren Zeilen im Gedicht „Mandalay“ (1892), das Brecht beeinflusste und von Sinatra – gegen den Widerstand der Autorenerben – gesungen wurde. Die alte Flotte, das war jene der Irrawaddy Flotilla Company (1865-1942) mit mehr als 600 Schiffen, meist Raddampfer, gebaut in Schottland, und zur Jahrhundertwende die größte Flussflotte der Welt, vornehmlich aufs Wasser gesetzt, um britische Soldaten über den Irrawaddy zu transportieren. Der Dichter beschreibt diesen 2.170 Milometer langen Strom vom Himalaya-Massiv zum Golf von Bengalen, als den schönsten der Welt, nur überstrahlt von der Schönheit und dem Charme der burmesischen Frauen. Angesichts der groben Zimmermädchen aus Chelsea sehnte er sich nach der „neater, sweeter maiden in in a cleaner, greener land“.
Der Fluss heißt in Burma Ayeyarwady, das war für manche Ohren recht komplex, mit ihrem angeborenen Sinn für Lässigkeit hatten die Briten seinen Namen vercoolt, im Lauf der Zeit trug er unterschiedliche Bezeichnungen, Erabatty, Irabatty, Dava, Irawadi, E-ya-wadi und Irawadee, die Liste wäre länger. Im 2. Weltkrieg versenkten die Kolonialherren ihre gesamte Irrawaddy Flotilla Company vor den heranziehenden Japanern. Jahrzehntelang waren Dutzende Kilometer unschiffbar. 1948 wurde Burma in die Unabhängigkeit entlassen.

Pagodenfelder. Heute schifft man den Irrawaddy kaum mehr auf Raddampfern – im Luxussegment fährt unter anderem, die brandneue „Sanctuary Ananda“ aus dem Jahr 2014, unterwegs zwischen Bhamo und der Hauptstadt Yangon (ehemals Rangoon), meist jedoch die Flagshipstrecke zwischen Bagan und Mandalay kreuzend. Es ist kein einfacher Trip, der Fluss ist flach und die Verhältnisse ändern sich ständig. Mit Hilfe von Lotsenbooten und Wasserstandsstangen tastet man sich durch die komplizierten Gefilde. Mit traditionellen Materialien und von Einheimischen erbaut, ist die „Sanctuary Ananda“ das politisch korrekteste Schiff, das Touristen durch eine weithin unbekannte Gegend bringt.
Dabei gehört das Pagodenfeld von Bagan wohl zum erstaunlichsten, was unsere Spezies baute, und zählt nur wegen seiner abseitigen Lage nicht zu den Weltwundern. Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert wurden hier 10.000 Tempel errichtet – ein Potentat versuchte den anderen zu übertreffen, da der Bau von Stupas, also Pagoden, (es soll um die tausend gegeben haben) und Klöstern (man spricht von 3.000) den Buddhisten Vorteile im Jenseits versprach. Ein Fünftel davon steht noch heute. Die Besucher können ein Fahrrad oder eine Ballonfahrt mieten, doch nie gelingt ihnen, sich einen Überblick zu verschaffen.

Aussiedlung forte. Das Feld, auf dem diese erstaunlichen Bauwerke, meist aus Stein, manchmal mit Goldbezug stehen, wurde zur Förderung des Tourismus entvölkert. Im Alten Bagan lebt niemand mehr, seit ein Aussiedlungsprogramm umgesetzt wurde, das die letzten Einwohner zum Verschwinden gebracht hat. Heute sprechen die Menschen offen darüber: „Sie haben den Leuten Ersatzland zugeteilt. Das Problem war, dass sie ihre bisherige Heimat innerhalb einer Woche verlassen müssen“, sagt Nyo Nyo, eine Einheimische im unscheinbaren Stadtzentrum außerhalb des Stupabereichs. „Das ist doch genau genommen ein Verbrechen.“ Nyo Nyo lächelt erschreckt und empört – Kritik an den Machthabern ist seit der sanften politischen Öffnung gelegentlich drin.
Ihre Einkäufe erledigt auch sie mit dem Moped im quirligen Backpacker-Zentrum Nyaung-U, wo man fast schon von einem Nachtleben sprechen kann. „Aber so große Supermärkte wie im TV gibt es nicht bei uns“, kommentiert sie die wirtschaftliche Lage. „Die gibt es nicht einmal in Yangon.“ Sie sei noch nie dort gewesen, lenkt sie ein. Sie würde unglaublich gerne hin, aber was dazu benötige sie die Erlaubnis ihrer Mutter. Außerdem sei ihre Tante krank, ziemlich lange schon. Nyo Nyo ist 35 Jahre alt.
In Nyaung-U’s Tempelanlagen der Shwezigon Paya (Knochen und Zahn von Gautama Buddha ist hier vielleicht aufbewahrt) strömt ein unversiegbarer Strom von Gläubigen mit beinahe unbegrenzten Spendemöglichkeiten. Damit dem Geldraub nicht Tür und Tor geöffnet ist, versichern sich die Anlagen mit einer Gesamtzählung aller Einkünfte, einer perfekten Bilanz.

Zwei Künste. Reisende der „Sanctuary Ananda“ berühren diese Welt nicht nur am Rande – auch Meister U Maung Maung, seines Zeichens Kunstlackierer – das U steht für Herr –, hat einiges zu sagen. Auf der Visitenkarte des Manns mit dem Schnurrbart, der jederzeit als Lech-Wałęsa-Double auftreten könnte, liest man: „Look for the moustache.“ Er bildet junge Talente aus dem Umland in einer Kunst aus, die aus dem 11. Jahrhundert stammt. Der beredsame U scheut nicht davor zurück, auch moderne Muster auf seine Vasen, Paravents und Schachteln zu prägen. „Es kommt darauf an, was möglich ist, aber innerhalb gewisser Grenzen richte ich mich auch nach Kundenwünschen.“ Maung Maung muss lachen: „Da gibt es jetzt die neue Mode, dass manche Leute die Produkte nackt haben wollen, ohne die letzten Arbeitsschritte. Lassen Sie es! Machen Sie nicht weiter!, höre ich dann. Also gut, wenn man das einer unbedingt will ...“
Zurück auf dem Luxusschiff hat der thailändische Koch ein Feuerwerk an Fusion Cuisine – wie man sagen könnte – entzündet, und auch die Konservativen wagen sich in die östliche Küche. Bei einem Kursus im Refektorium gibt der einzige Thai an Bord, der sich mit seiner Sprache etwas einsam fühlt, Einblick in seine Kunst. Es wird die berühmteste Suppe der Region gekocht, Tom Yam Gung. So wie alle einfachen Gerichte ist sie ziemlich kompliziert. Das Geheimnis besteht in einem Mörser, mit dem Zitronengras, der Galgant und Kaffirblätter schlägt, um den Geschmack herauszubringen. Die Shrimps ins siedende Wasser. Umrühren ist verboten, sonst wird sie „fishy“. Eine besondere Erkenntnis ist das Aromatische der Korianderwurzel, also des hinteres Teils, der im Westen mit Selbstverständlichkeit im Mülleimer landet.

Burma ist korrekt. Die älteste der Burma-Fragen, ob man nun Burma, Birma oder Myanmar sagt, ufert meist in eine politische Debatte aus. Die staatliche Bezeichnung Myanmar (seit 1989) wird gelegentlich mit der Militärjunta in Zusammenhang gebracht, die sich seit 1962 – trotz einer rezenten Öffnung – gegen den Wählerwillen an der Regierung befindet, wie die freien Wahlen 1990 ergeben hatten. Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat sie mit einem jahrelangen Hausarrest bezahlt, der erst 2002 aufgehoben wurde. Ein Jahrzehnt mit Ausschreitungen folgte, am Ende durfte die Partei der „Lady“, wie sie überall genannt wird, in ein neu einberufenes Parlament einziehen. Ob ihre Kandidatur im November bei der Präsidentenwahl zugelassen wird, gehört zu den entscheidenden Fragen über die Zukunft des Landes. Aung San Suu Kyi verwendet den klassischen Landesnamen Burma, da er die Minderheiten miteinschließt – nicht unwichtig in einem Staat von 55 Millionen Einwohnern, die 135 Ethnien angehören und in dem die Burmesen lediglich 70% der Bevölkerung ausmachen. Birma bleibt hingegen lediglich die hübsche deutsche Übersetzung des britischen Ländernamens.
Seit 2005 hat sich das Militär von seinem Volke zurückgezogen und regiert das Land nicht mehr von Yangon aus, sondern von der aus dem Boden gestampften neuen Hauptstadt Nay Pyi Taw. Die hat breite Boulevards, wenig Leben, ist eine Art Militärbasis ohne nennenswerter urbaner Aktivität. Es würde unglaublichen Aufwand bedeuten, dort eine Demonstration zu organisieren. „Nay Pyi Taw ist eine wunderbare Stadt“, hat Hla Hla gesagt, eine Guidefrau, die für die der Kontakt zu westlichen Besuchern ganz normal ist, „breite Straßen, kaum Verkehr, die Ruhe selbst.“ Aus ihrem rätselhaften Lächeln ist nicht zu entnehmen, ob sie sich wirklich in die neue Hauptstadt sehnt, oder ob es sich um burmesische Ironie handelt.

Mönche und Nonnen. Die Hügel von Sagaing weisen eine unglaubliche Dichte von Klöstern auf, die Stupas glänzen hier golden in der Sonne. Der Bus muss halsbrecherisch ausweichen, als auf der Einbahnstraße ein Konvoi in falscher Richtung entgegenkommt. Es sind vier Wägen, Zivil und Militär gemischt, teilweise bewaffnet. Kurz zeigen sich die wahren Kräfteverhältnisse, dann ist der Spuk vorbei, und die klostergesprenkelte Landschaft liegt in Ruhe und Frieden. Es gibt in Burma nur Religion – die offiziellen Stellen haben mehr als ein halbes Jahrhundert lang alles getan, um zu verbergen, dass Politik überhaupt existiert. Trotzdem (oder gerade deshalb) kommen die punktuellen politischen Proteste von den 600.000 orangenen Mönchen und rosafarbenen Nonnen, Bhikkhus und Bhikkhunis, die kein Wahlrecht haben, keine Zeitungen lesen dürfen, aber doch die Proteste der Safran-Revolution (2007) wagten.
Doch da sind noch die lustigeren Seiten des Mönchstums. „Die Trennung zwischen Mönchen und Nonnen ist komplett, in der Theorie haben sie keine Chance, einander zu treffen“, erzählt die Nonne Myint Myint, eine Verkäuferin, die gerne zwischendurch ein paar Wochen im Jahr im Kloster aushilft – wenn ihre Mutter das zulässt. „Erst wenn wieder einmal Hochzeitseinladungen zweier ehemaliger Novizen ins Haus flattert, zeigt sich, dass nicht jeder zum Mönchsberuf geboren ist.“ Sie selbst ist 45. Sie hat keinen Mann. „Ist nichts für mich“, schüttelt sie den Kopf.
Das Schiff fährt weiter, geradewegs nach Mandalay, wo sich das Leben Chinas sich mit Strukturen aus dem ruralen alten Burma mischt. Kipling wusste das genau: „On the road to Mandalay / Where the flyin'-fishes play / An' the dawn comes up like thunder outer China 'crost the Bay!”

 

Anreise und Schifffahrt [6973]
Flug mit Singapore Airlines via Frankfurt oder München (drei Mal täglich). Von dort fliegt die SilkAir nach Yangon oder Mandalay;  günstiger Stopover-Aufenthalt in Singapur auf dem Weg nach Burma im Rahmen des „Singapore Stopover Holiday“-Programms; www.singaporeair.com
Die Sanctuary Ananda (21 Suiten, max. 42 Passagiere, 44 Crew) ist seit November 2014 auf dem Irradwaddy unterwegs. Abfahrten ab Mandalay und Bagan mit 3, 4 und 7 Nächten sowie Extrafahrten auf Chindwin und zur Grenze Chinas (Bhamo). www.sanctuaryretreats.com; Reiseinformationen unter Windrose Finest Travel, Kärntner Ring 15, 1010 Wien, 01/726 27 43, www.windrose.at

Lackarbeit [6787]
Ever stand Laquerware Workshop, Classic and Modern Designs, Kunstlackierung, U Maung Maung, zwischen Old Bagan und Nyaung U, Wet kyi inn Village, Bagan, Burma, www.everstand.com

Gesichtsbemalung [6723]
Thanaka, die gelblich-weiße Paste, macht die Frauen laut Schönheitsideal “elegant” – und hilft gegen die Sonnenbestrahlung. Das Burma-Make-Up wird aus der Rinde des Indischen Holzapfelbaums hergestellt. Wenn man es gewohnt ist, sieht es wirklich gut aus, vor allem, wenn es in Mustern oder schwungvoll appliziert ist, die Kunst liegt in der Lockerheit.

Die Lady [6855]
Aung San Suu Kyi (19XX) wird im ganzen Land verehrt. Viele Menschen denken, sie sei die Lösung aller Probleme, und das kann man ihnen nach über fünfzig Jahren Militärdiktatur nicht verdenken. Sie ist die Tochter des ermordeten Freiheitskämpfers Aun

Die Reise wurde unterstützt von Sanctuary Retreats, Singapore Airlines und Windrose Österreich.