Monaco

"Die Presse" 2009

Ein Drink an den Leitplanken

 

Monaco ist Monaco. Dass die Italiener München Monaco nennen, wird in Monaco höchstens mit Kopfschütteln registriert. Dass die Franzosen Monaco Monte Carlo nennen, findet man in Monaco auch nicht so toll. Die Legende, Monte Carlo sei die Hauptstadt Monacos, gehört zu den modernen Irrtümern. In Wahrheit hat Monaco, mit 195 Quadratkilometern nach dem Vatikan der zweitkleinste Staat der Welt, als ein Stadtstaat gar keine Hauptstadt. Monaco ist und bleibt ausschließlich Monaco, Monte Carlo nur ein Stadtteil, jener, in dem das berühmte Casino steht, der „Karlsberg“, benannt nach Fürst Charles III – so viel zur Benennung.

Seit dem 13. Jahrhundert wird Monaco, ein Mittelmeerfelsen mit Umland, vom genuesischen Geschlecht der Grimaldi regiert, meist in Abhängigkeit von Paris. Der plötzliche Verlust von vier Fünftel Prozent des Staatsgebiets durch die Unabhängigkeitserklärung der Städte Menton und Roquebrune ließ 1861 nur einen Felsen ohne Umland übrig, erwies sich aber als Glücksfall.

Fürst Charles III wurde von Frankreich als autonomer Fürst anerkannt, bekam eine Zollunion zugestanden und erhielt auf der Eisenbahnstrecke zwischen Nizza und Genua einen Bahnhof. Mangels wirtschaftlicher Alternativen eröffnete er 1863 ein Spielcasino – und schuf damit die Voraussetzungen für ein Land, das vom Luxus-Tourismus lebt. Auf dem Felsen von Spélugues entstanden die ersten Hotels – dort, an der Haarnadelkurve des Grand-Prix-Kurses, wo heute das Fairmont steht, dort, wo weiter unten der Tunnel durch den Stein schneidet. Ab 1866 trug das Viertel den selbstbewussten Namen Monte Carlo.

Während das Casino auf dem Karlsberg florierte und die vornehmen Barken der Jahrhundertwende-Prominenten im Hafen ankerten, interessierte sich der Sohn von Charles, Albert I., nicht mehr so für das Glückspiel. Er sah sich als Forscher und Paläontologe und gründete der anderen Seite der Bucht, in ältesten Stadtbezirk Monaco-Ville, das Ozeanographische Museum. 100.000 Tonnen Stein aus dem bis zu 700 Metren hoch liegenden La Turbie waren für die Errichtung nötig, 1910 direkt an der Steilküste in den Felsen geschlagen, erhebt sich das steinernen Monument 85 Meter über das Mittelmeer. Das mehrstöckige Prunkgebäude passt überhaupt nicht zur putzigen Altstadt. Jacques-Yves Cousteau war ab den Fünfziger Jahren Direktor dieses Museums. Sein Unterstock beherbergt ein spektakuläres Aquarium, in dem unter anderem der gelbe Kofferfisch zu besichtigen ist. Oben stehen und hängen Riesenskelette und Plastikmodelle von Walfischen, U-Boot-Originale und die in Formalin eingelegten Wasserkreaturen, beschrieben in der Didaktik einer anderen Zeit.

 

Monaco ist auf den ersten Blick gar nicht schön, Monaco ist vielmehr unglaublich. Wie eine Rose mit Tulpenkopf und Farnblättern. Eine Silhouette aller Architekturstile, ein irres, gedrängtes Durcheinander mit der schönsten Küste Europas im Nacken, links Italien, rechts Frankreich. Und Wolfgang Joop, Claudia Schiffer, Gerhard Berger irgendwo dazwischen. Wer einmal wirklich was für eine Flasche Corona ausgeben will, kann das im Nachtklub „Jimmy´z“, der ist nachtlang vollgepackt mit Models und exzentrischen Geldverschleuderern. Vielleicht sieht man ja einen Promi, der Rosé-Champagner trinkt (Flaschen zwischen 300 und 1300 Euro). Die Parties heben oft erst um 6 Uhr Früh wirklich ab. Wer sich abfällig über Jimmy´z äußert, hört man, hat einfach keine Kohle.

Die paar Gässchen in Monaco-Ville ziehen hingegen keine Stars, sondern Mainstream-Besuchermassen an. Vor dem Palais der Grimaldis, findet täglich um 11.55 ein bizarres Schauspiel statt, der Wachewechsel der weiß gekleideten Phantasiegarden vor internationalem Publikum, eine Art Höhepunkt an sinnlosem Theater. Solider geht es über den Dächern zu: Am attraktivsten Ausblickspunkt des Stadtstaates befindet sich das Restaurant La Chaumière – quasi Panorama auf alles. Gleich nebenan der Jardin Exotique mit seinen Tropenpflanzen (von 195 Hektar Gesamtfläche haben die Monegassen immerhin 42 Hektar den Gärten gewidmet) und atemberaubenden Perspektiven auf den Stadtteil Fontvielle, durch Landgewinnung in den Siebziger Jahren entstanden.

Auch La Condamine ist zu sehen, die Gegend um den Hafen, und Monighetti, einst ein Teil der Condamine. Von hier oben zeichnet sich deutlich die Rascasse Kurve ab, mit dem Café, an dem die Formel-1-Autos im Zentimeterabstand vorbeibrausen. Wer dort in die Leitplanken knallt – heißt es – kann sich gleich aus dem Cockpit einen Drink bestellen. Weiter vorne, direkt am Hafen, steht das berühmteste Swimmingpool der Welt. Wer traut sich da rein? Ein paar Muskelmänner, magere Frauen mit operierten Brüsten, osteuropäische Neureiche – alles in allem herrscht eine beruhigend unglamouröse Stimmung. Wer genau hinhört, kann die Angestellten Monegassisch reden hören, eine Sprache, die sich auf das Ligurische zurückführen lässt. Lange Zeit galt sie als gefährdet, heute wird sie in den Schulen verpflichtend unterrichtet.

Im Hafen spricht keiner Moegassisch. Hier stehen die protzigen vierstöckigen Yachten der Promis, aber wenn man Glück hat, sieht man eine der „Sea Clouds“. Allein schon der Name ist eine Segelschiff-Legende. 1931 in Kiel für die exzentrische New Yorker Millionenerbin Marjorie Merriweather Post erbaut, war sie ein Geschenk ihres Gatten Edward Hutton zum 11. Hochzeitstag. Es wird gemunkelt, dass die elegante Viermastbark eine Art Entschädigung für einen zu klein ausgefallenen 10. Hochzeitstag gewesen sein soll. Wie auch immer, der Luxus einer versunkenen Epoche weht auch heute noch über das Schiff, das schon viel gesehen hat – Parties mit Frank Sinatra und Zsa Zsa Gabor, Segelkreuzfahrten auf allen Weltmeeren.

Lady Marjorie beschloss eines Tages, sie ihrem Freund zu schenken und erhielt dafür ein kleines Privatflugzeug. Heute ist die renovierte „Sea Coud“ auf exklusiven Touren unterwegs, ebenso wie die 2001 erbaute „Sea Coud II“, beide mit nahezu 30 weißen Segeln, deren Fläche mit 3.000 Quadratmeter beträgt. Die „Sea Cloud II“ ist mit 110 Metern etwas länger und etwas breiter als ihr Schwesterschiff. Beide werden vornehmlich von Hand gesegelt. Mehr als zwei Wochen Tage nimmt sich die „Sea Cloud II“ Zeit, um den Atlantik zu überqueren – über die Hälfte der Zeit und fast die Hälfte der Strecke steht sie dabei normalerweise unter Segel. In Monaco ist sie unter den besonderen Schiffen die Spezialität. Netter sehen nur noch die Kinderschulen an Kleinseglern aus, die den Hafen an sonnigen Tagen durchkreuzen.

 

Monaco ist die europäische Version von Hongkong, nur ohne Metro. Wuchernde, wilde Architektur, Hochhäuser neben Sehenswürdigkeiten, Straßenschluchten und kleinen Plätze bilden ebenso wie der einzigartige Yachthafen einen mondänen Hintergrund zum alljährlichen Grand-Prix-Spektakel. Monaco ist aber auch eine Fieberblase hochgezüchteter Immobilien. Der Quadratmeterpreis liegt zwischen 10.000 und 15.000 Euro, für viele kein zu hoher Preis. In Monaco Ansässige bezahlen ja weder Einkommenssteuer noch Erbschaftssteuer, und Finanzverfahren, die gegen jemanden in anderen Ländern laufen, werden hier nicht weiter verfolgt.

Die reichen Neubewohner sind kaum daheim. Ein alltäglicher Beruf ist in Monaco jener des Concierge. Ein solcher putzt nicht etwa selbst, das erledigen nordafrikanische Angestellte aus Frankreich. Die Concierges sind jedoch oft die einzigen wirklichen Bewohner der Gebäude. Denn europäische Steuerbehörden verlangen von ihren Staatsbürgern mit Monaco-Wohnung unter anderem Stromrechnungen, als Beweis dafür, dass der Steuerzahler tatsächlich in Monaco wohnt. Die Hausmeister sorgen daher für den Stromverbrauch – und beseitigen diskret die überlaufenden Briefkästen. Es sieht immer so aus, als wären alle daheim. Dafür erhält der Concierge am Ende des Jahres eine kleine Spende.

Casino, High Life, Steuerbetrug, kommen da die Ur-Monegassen überhaupt mit? Nicht wirklich. Doch zum Glück hat der monegassische Fürst traditionell ein Auge auf sein Volk. Von den heute offiziell 33.000 Einwohnern sind 8.000 „echte“ Monegassen. Viele von ihnen arbeiten als Groupiers im Casino, denn bei Ausschreibungen für staatliche Jobs sind sie erstgereiht. Monacos Mindestgehalt, das sogenannte „Smig“ liegt bei 1.300 Euro netto. Sozialwohnungen, die Domaines, im Auftrage der Regierung errichtet, sind exklusiv für Monegassen. Wo Staatsbürger nicht in Domaines unterkommen, werden Wohnungen des privaten Sektors subventioniert, Voraussetzung: angemessene Miethöhe.

Die politische Debatte dreht sich eher darum, wer Monegasse sein darf. Nur weil eine Monegassin mit einem Franzosen verheiratet ist, heißt das nicht, dass er Staatsbürger werden darf. In den letzten Jahren wurden allerdings viele jener „entfants de pays“ eingebürgert, Franzosen, die immer schon in Monaco lebten. Sie müssen sich fortan an die Regeln halten, unter anderem heißt das: den Casinos fernbleiben. Die Grimaldi-Fürsten haben die Natur des Glücksspiels immer gekannt. Monegassen dürfen laut einem Gesetz im Casino nicht spielen. Wenn sie es doch tun – dann ohne Rosé-Champagner und unauffällig.

 

 

Unterkunft:

Fairmont, 12 Avenue des Spélugues, Monte-Carlo, Monaco, www.fairmont.com/Montecarlo

Hotel Metropol, 4, Avenue de la Madone, Monte-Carlo, Monaco, www.metropole.com

Hôtel de Paris, Place du Casino, Monte-Carlo, Monaco, www.montecarloresort.com

Hôtel Hermitage, 1 Square Beaumarchais, Monte-Carlo, Monaco, www.montecaroresort.com

Monte-Carlo Bay Hotel & Resort, 40 Avenue Princesse Grace, Monaco, www.montecaroresort.com

 

Ausgehen und Essen:

Restaurant La Chaumière, Rond Point du Jardin Exotiques, Monaco, www.la-chaumiere.mc

Restaurant La Mandarine, Port Palace Hotel, 7 Avenue John F Kennedy, Monaco, www.portpalace.com

Restaurant Café du Paris, Place du Casino, Monte-Carlo, Monaco, www.montecarloresort.com

The Blue Bay Restaurant, im Monte-Carlo Bay Hotel & Resort, 40 Avenue Princesse Grace, Monaco, www.montecarloresort.com

Jimmy´z, Le Sporting Club, Avenue Princesse Grace, Monte Carlo, Monaco

La  Rascasse, Quai Antoine 1, Monaco.

 

Schiff:

Die Sea Cloud und die Sea Cloud 2

caravelle

 

Veranstalter:

Der Autor war auf einer Pressereise mit Caravelle unterwegs